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Vorhang auf für mehr Wertschätzung!

Johannes Oßwald, leitet die Stadtteilarbeit PieschenWie sich Konfliktstoff verwandeln kann. – von Johannes Oßwald

Es gibt Situationen, die lassen einen auch nach 15 Jahren angewandter Pädagogik nicht kalt.

„STOPP! – DU HAST HIER NICHT EIN KIND ZU SCHLAGEN!!“ höre ich mich laut durch den Kidstreff brüllen. Doch es geht hier gar nicht um das Kind, sondern um mich: Wer meine Stimme kennt, ahnt, dass das unangemessen war. Natürlich musste ich hier Grenzen setzen. Aber so?

Das Jahr im Lockdown fordert heraus. In unseren Treffzeiten, bei den Kids und Teens zuhause, und ja, auch in unseren eigenen Familien liegen die Nerven manchmal blank.

Wie gehen wir mit Konflikten um?

Ein Schlüssel für uns ist es, zu fragen: Was sieht Gottes liebender Blick darin? Um dem auf die Spur zu kommen, geben wir uns in unserer Arbeit immer wieder Feedback und reflektieren im Team. Was ist der Kern des Konflikts, welche Motive stecken dahinter? Da ist gerade dieses Kind, das die meiste „Mühe“ macht. Doch fragen wir uns einmal: Warum kommt es eigentlich so gern in den Treff? Wir wollen hinter der Provokation das Gute entdecken! Denn erkennt man die Bedürfnisse, kann man ihnen auch gezielt begegnen.

Neulich spielten unsere Freiwilligen in einer Schulung eine Situation aus dem Treff nach und stellten fest: „Andere zu ärgern, die Gruppe zu stören – das fühlt sich ja machtvoll an!“ Daraufhin überlegten sie, wie die Kids stattdessen mehr positive Wirksamkeit erleben können, z.B. indem wir ihnen Verantwortung übertragen.

Bühne frei! – Neuer Boden auf altem Grund

Deshalb müssen wir uns gut im Blick haben. Wenn der Druck steigt, zeigt sich, was in uns steckt. Denn: Pädagogen sind auch Menschen. Aha.J Menschen mit Temperament, Ängsten, Unsicherheiten, … Doch lasse ich diese die Regie übernehmen, wenn der Druck steigt? Oder agiere ich sicher aus meiner Identität als Kind Gottes? Und wie komme ich in diese innere Sicherheit? Wenn ich im Herzen (wieder neu) verstehe: Gott ist mit mir barmherzig – dann kann ich durchatmen, mich selbst fallen lassen. Mit dieser liebevollen Perspektive für mich selbst kann auch ich Gottes liebevollen Blick für andere gewinnen – hinter dem, was mich vielleicht gerade provoziert. Gott  ist barmherzig mit mir – und so kann ich selbst leichter barmherzig sein.

Eine Kultur von Wertschätzung für unsere jungen Treffbesucher zu prägen, heißt zuerst, sie selbst zu leben.

Ich suche das Gespräch mit dem Kind, das ich gerade noch angebrüllt hatte: „Du, es tut mir leid, ich hab mich hier im Ton vergriffen. Egal, ob es Mist war oder nicht, was du gemacht hast, das können wir ja auch leise miteinander klären. Es tut mir echt leid.“ Später beim Essen greife ich es auch nochmal vor allen auf: „Ich möchte euch um Verzeihung bitten, dass ich vorhin so laut wurde. Wir wollen hier anders miteinander umgehen…!“ – Worte, die hoffentlich prägen. Und vielleicht hat mein anfängliches Versagen so sogar mehr deutlich machen können, als jede „Predigt“ über gute Gesprächskultur es geschafft hätte.

 

 

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