Seit etwa zwei Jahren trainieren wir mit Kindern, die inzwischen schon fast Teenies geworden sind, wie man fair mit Pferden umgeht.
Anfangs waren es etwa 12-15 Kinder die regelmäßig, d.h. ein- bis zweimal im Monat, mitgefahren sind. Als Lernschwerpunkte setzten wir zunächst, das Pferd als Freund zu sehen, aber auch die Pferdesprache zu erlernen. Denn wenn man diese beherrscht, kann es leichter gelingen, das Vertrauen und letztendlich auch die Kontrolle über das Pferd zu bekommen.

Oft waren die Kinder skeptisch, ja auch ungeduldig. Statt im Galopp über Wiesen zu jagen und über Hindernisse zu springen, wurde zu Beginn jeder Reitstunde zunächst ausführlich mit dem Pferd vom Boden aus gearbeitet und nur wenig geritten. Das Fundament des Reitens ist nämlich, dass das Pferd einem erstmal vom Boden aus vertraut und gehorcht, beispielsweise indem ein Kind das Pony führen kann, ohne dass es vom saftigen Gras am Wegesrand nascht.

Einige Kinder hatten über die Jahre das ernsthafte Interesse an den Pferden verloren, aber neun Mädchen hatten inzwischen wertvolle Freundschaften zu den Ponys und auch untereinander aufgebaut. Diesen Sommer nun empfanden wir Mitarbeiter, dass die Kinder genug vom Boden aus trainiert hatten. Wir organisierten eine kleine Prüfung, um den Mädchen eine Art Zertifikat zu überreichen. Zuvor gab es ein dreitägiges Ferien-Programm, bei dem wir noch einmal alle Boden-Lektionen übten. Die Rahmenbedingungen stimmten. Die Sonne schien, es war nicht zu heiß und wir hatten fleißige Helferinnen. Julie, eine junge Pferdetrainerin aus England, hatte drei Monate mit uns trainiert. Sie stellte sich als professionelle Prüferin zur Verfügung.

Es war keine Prüfung bei der man durchfallen konnte, sondern es ging einzig um die Beziehung zwischen Kind und Pferd. Und doch erhielt alles einen würdigen Rahmen. So waren die Kinder dann auch etwas aufgeregt, als es zur Einzel-Prüfung ging. Zwei Jahre lang hatten wir die Kinder darin geschult, dass es nicht um die großen eigenen Ziele, sondern um Beziehung geht. Immer wieder hörten sie davon, dass es auch Gott nicht um Leistung, sondern um Beziehung geht. Trotzdem lohnt es sich, Ziele anzustreben, weil es Freude bringt sich für etwas anzustrengen und dazuzulernen. Deshalb strengten sich zur Prüfung nun auch alle Kinder nach Kräften an. Jedes nach seinem Maß. Am Ende bekam jedes Kind eine Urkunde und einen Gutschein über eine „richtige“ Einzelreitstunde – und eine Einschätzung von Julie –von uns ins Deutsche übersetzt. Es waren Sätze wie: „Du hast dem Pferd sehr deutlich gezeigt, was du von ihm möchtest und ihm ein gutes Feedback gegeben, als es reagiert hat.“ – Julie hatte in ihrer noblen englischen und von Gottes Liebe geprägten Art trotz mancher Fehler der Kinder viele ermutigende Worte und ausschließlich positive Kritik aufgeschrieben.

Ermutigt schauen wir zurück auf die drei intensiven Tage mit unseren Mädels und auch auf das letzte Schuljahr. Einige harte Lektionen liegen hinter uns. Ein Mädchen wollte gern immer ausschließlich Reiten und fand Bodenarbeit langweilig. Neulich ließ ich sie nach etwas Bodenarbeit selbstständig Reiten. Zu meiner Freude hörte sie nach ein paar Runden auf und sagte mir, sie wolle jetzt wieder absteigen. Ich war überrascht, weil sie ja erst einige wenige Minuten geritten war. Daraufhin sagte sie mir, dass das Pferd zum ersten Mal mit ihr gegangen wäre, ohne frech zu sein. Sie merkte von alleine, dass jetzt ein guter Zeitpunkt zum Aufhören war. Also stellte sie ihr eigenes Bedürfnis nach Reiten zurück, um dem Pferd zu zeigen, dass es alles richtig gemacht hatte. – Und ich war sehr stolz auf sie, weil sie eine wertvolle Lektion verinnerlicht hatte.

Urte Henkert | Pferdeprojekt Stoffwechsel Altreick/Prohlis